Im Frühjahr 2018 tat sich in Münsters Flüchtlingspolitik Einiges: Der Rat stimmte gegen die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB), woraufhin sich Coesfeld erfolgreich als Standort bewarb und die Behörde dort aktuell den Betrieb aufnimmt. Stattdessen wird nun in Münster eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) errichtet. Anlass für den Caritas Verband im Bistum Münster seine Kritik an der Flüchtlingspolitik auch dem Bundestagsabgeordneten Bernhard Daldrup aus dem Kreis Warendorf vorzutragen. Gemeinsam mit dem Chef der SPD-Münster Robert von Olberg, Domkapitular Josef Leenders und dem Flüchtlingsbeauftragten des Bistums Helmut Flötotto tauschte er sich kontrovers aus.
Helmut Flötotto sieht die ZUE nämlich äußerst kritisch: „ZUE ist nur ein anderes Wort für die bayrischen Anker-Zentren. Die Kasernierung von bis zu 24 Monaten birgt sozialpolitischen Sprengstoff.“ Fehlender Schulunterricht für Kinder war nur ein Beispiel der Defizite, die der Flüchtlingsbeauftragte in den ZUEs sieht.
Bernhard Daldrup verwies allerdings ebenso auf die Kehrseite, eine manchmal „brutale Abschiebung aus den Kommunen, wenn sich Ehrenamtliche bereits Monate lang für die Integration der Asylbewerber eingesetzt haben“. Das hinterlasse viel Frust in den Städten und Gemeinden. Sie fordern daher die Zuweisung von Menschen mit klarem Status, damit die Integration gelingt. Daldrup setzt weiter auf eine schnellere Bearbeitung der Anträge im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: 4500 Stellen habe man dort entfristet und 1500 neue Arbeitsplätze geschaffen, damit Asylbewerber zukünftig frühzeitig einen rechtskräftigen Bescheid erhielten und die ZUEs verlassen könnten. Ein Rechtsstaat müsse in der Lage sein, die Asylverfahren schnell und rechtssicher zu bearbeiten. „Der heutige Zustand ist nicht akzeptabel“, bekräftigte er.
Robert von Olberg untermauerte diese Forderung. Schließlich blieben aktuell 38 Prozent der Asylbewerber länger als sieben Monate in Zentralen Einrichtungen. Man müsse die ZUEs daher „statt wie eine Haftanstalt eher wie ein kleines Dorf“ gestalten und vor allem auch Ehrenamtlichen den Zugang ermöglichen. Diese Forderung wurde bei allen Gesprächspartnern positiv aufgenommen. Denn das Ehrenamt war auch Flötotto und Leenders ein Herzensanliegen. Über 7000 freiwillige Helfer verzeichne man im Bistum, die „unerlässliche Netzwerke für Arbeitsmarkt- und Schulintegration“ bildeten. Finanziell sei man durch Kirchenmittel und Förderprogramme von Bund und Land gut aufgestellt. Belastend sei für viele Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe eher der gesellschaftliche Umschwung: Hätten sie 2015 noch Anerkennung erfahren, müssten sie sich heute oft rechtfertigen. Diese Veränderung konnten auch die beiden SPD-Politiker bestätigen. Bundestagsabgeordneter Daldrup bekommt den Umschwung auch im Parlament anhand von 92 AfD-Abgeordneten zu Gesicht, bekräftigt aber: „Unsere Gesellschaft ist nicht einfach von rechts bedroht, sondern von der Lethargie der Mitte. Dazu darf es nicht kommen.“ Wenn beispielsweise die SPD-Forderung nach einem „Spurwechsel“ für integrierte, aber nur geduldete Asylbewerber groteskerweise als „Fluchtanreiz“ bezeichnet werde, sollten die zivilgesellschaftlichen Verbände ihre Stimme erheben.
Im Gegenzug an diesen Appell hatte der Caritas-Vertreter Flötotto ebenfalls eine Forderung an die Politik. Ein neuer Erlass erschwere es den Kirchen seit Anfang August, das Kirchenasyl zu gewähren. „Es ist bei uns stets Ultima Ratio und keinesfalls ein rechtsfreier Raum“, betont der Flüchtlingsbeauftragte. Die bestehende Frist von sechs Monaten werde nun allerdings mit der Begründung der Flüchtigkeit des Betroffenen regelmäßig auf 18 Monate verlängert – „dabei sind alle Behörden informiert, wo sich dieser Mensch befindet“, erläutert Flötotto seinen Unmut. Aktuell befinden sich fünf Menschen im Bistum Münster im Kirchenasyl. „Vor dem Hintergrund dieser kleinen Zahl“, stimmt ihm Bernhard Daldrup zu „ist diese Haltung eines menschenfreundlichen Staates unwürdig“.