Aus der Wirtschaftswoche, von Max Biederbeck-Ketterer
Eigentlich will Bundeskanzler Olaf Scholz seinen großen Wohnungsplan erst im Herbst präsentieren. Dann stehen die Ergebnisse des eigens eingesetzten „Bündnisses bezahlbarer Wohnraum“ an. Mieterinnen, Vermieter, Industrie und Politik suchen darin nach einer Lösung für die explodierenden Preise auf dem Wohnungsmarkt. „Der Kanzler wird sich persönlich daran messen lassen“, heißt es dazu in Regierungskreisen. Einige in der SPD scheinen die Ergebnisse allerdings kaum abwarten zu können – und preschen kurz vor der parlamentarischen Sommerpause mit eigenen Vorschlägen nach vorne.
So hat die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Verena Hubertz angesichts der Energiekrise einen Kündigungsstopp für Mieterinnen und Mieter gefordert. „Die Nebenkosten werden im Herbst explodieren und damit die zweite Miete“, sagte Hubertz. „Niemand darf auf die Straße gesetzt werden, nur weil er seine Heizkosten nicht bezahlen kann.“
Unterstützung kommt von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. „Der Charme eines solchen Moratoriums liegt darin, dass Eigentümerinteressen nicht negiert werden“, erklärte er. Der Staat könne treuhänderisch dafür einstehen, den Vermietern Zahlungsausfälle auszugleichen. „Das bedeutet, dass wir im Zweifel einspringen und dafür sorgen, dass niemand in die Insolvenz getrieben wird“, sagte Kühnert.
Der Vorstoß steht im Geiste eines schon einmal eingesetzten Kündigungsstopps in den ersten Monaten der Coronapandemie im Jahr 2020. Auch damals schützte die Bundesregierung Mieterinnen und Mieter, die zwischen April und Juni nicht mehr zahlen konnten. Bis Ende Juni 2022 mussten Betroffene diese Miete nachzahlen.
Kühnert und Hubertz befürchten, dass im Herbst eine ähnliche Situation erneut eintreten wird. Heiz- oder Mietzahlungen könnten wegen der explodierenden Energiepreise ausbleiben. „Machen wir uns nichts vor: Es gibt neben vielen freundlichen Vermietern auch diejenigen, die auf solch eine Situation geiern“, erklärte Kühnert. Diese Vermieter würden nur auf einen Kündigungsgrund warten, um danach neu und zu höheren Preisen vermieten zu können. „Solche Situationen werden entstehen, wenn man sie nicht rechtlich verhindert.“
Macht die FDP mit?
Um den Kündigungsschutz durchzusetzen, braucht die SPD die Unterstützung der Koalitionspartner. Mit der FDP hatte es allerdings in den vergangenen Wochen immer wieder Streitigkeiten gegeben, etwa bei der Frage des Vorkaufsrechts. Auch hieß es in Koalitionskreisen jüngst, dass wichtige gemeinsame Vorhaben in der Baupolitik im FDP-geführten Justizministerium auf die lange Bank geschoben würden.
Der wohnungspolitische Sprecher der Liberalen, Daniel Föst, sagt zum neuen Vorstoß: „Fest steht: Wir müssen die Menschen entlasten und gezielt dort unterstützen, wo die Energiepreise zur Armutsfalle werden. Dafür wird diese Koalition sorgen.“
Föst sagt aber auch: „Immer weitere und sich zum Teil widersprechende Forderungen halte ich nicht für zielführend. Im Wahlprogramm 2021 wollte die SPD etwa die Mieten noch an die Inflation koppeln.“ Unterstützung klingt anders.
Mit seinen Aussagen zur Inflation spielt der FDP-Politiker dabei auch auf eine weitere Idee zur Mieter-Entlastung an, die der wohnungspolitische Sprecher der SPD, Bernhard Daldrup, zuvor geäußert hatte. Er forderte angesichts der angespannten Lage eine Kappungsgrenze für Indexmieten. Solche Mieten koppeln den Preis an die Veränderungen der Lebenshaltungskosten in Deutschland. Steigt der Preisindex, steigen auch die Mieten. „Die Lage ändert sich hier dramatisch, wir müssen jetzt intervenieren“, sagte Daldrup. Einen konkreten Grenzwert nannte der Politiker nicht, es gehe aber um mehr als nur eine „kosmetische Frage“.