Einseitige Betrachtungen
Unterstützung erhielt Kühnert in dieser Einschätzung in der lockeren Gesprächsrunde auf dem Podium von der Sendenhorsterin Astrid Rose, die sich für die SPD im Rat der Stadt engagiert. „Viele sind nicht bereit, eine Sache auch nur für einen kurzen Moment von der anderen Seite zu betrachten“, sagte sie. „Man empört sich, aber man tut nichts“, so die Lehrerin und Mutter. Selbst vor Ort müsse man sich im selbst ernannten Stadtportal für Ideen beschimpfen lassen. Das gab Beifall.
Der SPD-Ortsverein feiert in diesen Tagen seinen 100 Geburtstag. Und hierfür hatte der Bundestagsabgeordnete Bernhard Daldrup den Generalsekretär davon überzeugen können, dass es sich lohnt, aus Berlin nach Sendenhorst zu kommen, wie es die Stadtverbandsvorsitzende Annette Watermann-Krass in ihrer Begrüßung ausdrückte. Bei feinem Sommerwetter, Livemusik, Fingerfood und kühlen Getränken nahmen viele die Einladung zum Dabeisein an, darunter auch auffällig viele junge Menschen. Und längst nicht alle, die da waren, stehen der SPD nahe. Zum Beispiel der CDU-Fraktionsvorsitzende im Rat der Stadt, Uli Altewische. Er wollte sich zwar nicht die bereitliegende SPD-Kappe aufsetzen – „sonst steht das Bild womöglich noch in der Zeitung“ –, genoss aber die Atmosphäre im Garten.

Kevin Kühnert
Inhaltlich wurde durchaus Klartext geredet. „Der Faktor Lautstärke ersetzt keine Argumente“, erklärte Kevin Kühnert. „Empörung allein reicht nicht – Formen und Wege des politischen Engagements“ war Thema des Abends. Für seine erste zweijährige Wahlperiode habe er sich vorgenommen, 30 000 neue SPD-Mitglieder zu werben, sagte Kühnert – und er habe natürlich einen Stapel Aufnahmeanträge dabei.
Mit Blick auf die politischen Entwicklungen in Deutschland, Teilen Europas und in der Welt sei es immens wichtig, die Demokratie zu stabilisieren, wie es die SPD seit jeher tue. „In dieser Disziplin macht uns niemand etwas vor.“
Das offene Wort müsse jederzeit möglich sein, ohne dass sich jemand gleich Beschimpfungen aussetze. „Das ist Arbeit“, meinte Kühnert, der anregte, Ideen mit anderen zu teilen und daraus Konkretes für die Menschen im Land zu entwickeln. „Wir als SPD genügen uns nicht selbst.“ Die Gesellschaft ändere sich, und da sei es für die SPD wichtig hinzusehen – in den Nachbarschaften und auf alles, was die Menschen angehe: die Arbeit, das Leben, das Wohnen und dessen Kosten, die Digitalisierung und einiges mehr. Die SPD müsse sich mit ihrem Anspruch nicht verstecken, „auch wenn nicht nicht alles perfekt ist“. Und sie lade Menschen ein mitzumachen.
Die Rolle in der Regierung
Kevin Kühnert beleuchtete auch die Rolle der Regierung und den Part, den die SPD darin spiele. Die Anforderungen an die Regierung und an die Partei seien unterschiedlich. In der Regierung „müssen wir mit dem arbeiten, was da ist“. Einer der drei Koalitionspartner sei „etwas komplizierter“ – er meinte die FDP –, gleichwohl werde er nicht „wie die Axt im Walde“ auf Christian Lindner und Co. zugehen. „Die Regierung ist ein Kompromiss“, so Kühnert. Die SPD selbst werde aber nie zum Kompromiss werden. Ihr Kern seien sozialdemokratische Überzeugungen.
In der von Bernhard Daldrup moderierten Gesprächsrunde, an der auch der junge SPD-Ratsherr Simon Borgmann und Tobias Müller, neuer SPD-Vorsitzender in Ennigerloh, teilnahmen, ging es um viele Themen – von politischer Bildung bis zum Krieg in der Ukraine und dessen Folgen.
Passend zu Putins Überfall vor einem halben Jahr und den vielen Toten spielte das Fats-Meyer-Acoustic-Duo den Song „Imagine“ von John Lennon.